2017-03-21 - Sanierung einer Krankenstation in Togo/Westafrika
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Zweieinhalb Wochen waren vier MUTler vor kurzem in Togo, um gemeinsam mit einheimischen Handwerkern eine Krankenstation, die ca. 10.000 Einwohner versorgt, zu sanieren.
Stuttgart – Paris – Lomé – in knapp acht Stunden vom noch winterlichen Deutschland in das 40 Grad heiße Togo und in eine andere Welt. Wie gut, dass Lutz Jaenisch, Rüdiger Stepper sowie die Brüder Gerhard und Walter Stutz nicht zum ersten Mal diese Reise unternommen haben, die sie aus der eigenen Tasche finanzieren. Schon das Kofferpacken gestaltete sich untypisch, denn da müssen neben dem Handwerkszeug wie z.B. eine Flex, eine Bohrmaschine auch Fußbälle, Laptops, Fieberthermometer, Kugelschreiber u..a. für die Schulen gut verstaut werden; wie gut, dass jeder 54 kg Fluggepäck mitnehmen darf. Überrascht werden die Vier bei der Landung von einem neuen Flughafengebäude und einem kleinen „Empfangskomitee“.
Nach einer Übernachtung im klimatisierten Hotelzimmer ging es am nächsten Morgen mit dem Buschtaxi in das 350 km entfernte Tchebebé, dem eigentlichen Ziel der Reise. Die viel befahrene Strecke, auf der sämtliche Exportgüter vom Hafen in Lomé mit teilweise beeindruckenden alten und häufig überladenen Fahrzeugen nach Burkina Faso, Mali und Benin gebracht werden, war anstrengend.
Zwischendurch gab es immer wieder einen kurzen Halt, damit die Gruppe sich mit frischem Obst für die nächste Zeit eindecken konnte – die Stände hatten immer nur eine Frucht im Angebot.
Erschöpft und glücklich wurden die vier dann am Abend mit Gesang und Tanz und frisch gebrautem „Lokalbier“ als Freunde empfangen. Man kennt sich von den bisherigen Projekten, zuletzt war es vor zwei Jahren der Bau der Martin-Luther-Kirche, der gemeinsam mit einer Lehrwerkstatt für Waisen bewältigt wurde.
Nachdem das Stromaggregat bei der Gastfamilie nicht funktionierte, setzte die Dunkelheit bereits um 18 Uhr dem Tag ein Ende. Gut so, denn die Fahrt und die Hitze hatten müde gemacht.
Mit einem typisch afrikanischen Gottesdienst begann der nächste Tag, der weitere Begegnungen brachte sowie eine erste Besichtigung des aktuellen Projekts.
Tschebebe hat ca. 6.450 Einwohner. Die vorhandene Krankenstation, die die Versorgung von rd. 10.000 Einwohnern abdeckt, war in einem jämmerlichen Zustand.
Dunkle Zimmer, unzureichendes Licht, Betten und Matrazen nicht mehr brauchbar und nicht zuletzt herrschten katastrophale hygienische Zustände. Die Vier sahen schwere Verletzungen und Wunden, aber auch Autoreifen und Ölkanister im selben Behandlungsraum.
Ein Krankenpfleger behandelt die Patienten, unterstützt wird er von einer katholischen Ordensschwester und weiteren sieben Mitarbeitern, darunter auch eine Hebamme, die für die ca. 25 bis 30 Geburten monatlich zur Verfügung steht. Nur zwei der Mitarbeiter werden vom Staat bezahlt, die übrigen werden von dem Geld bezahlt, das die Patienten für die Behandlung bezahlen müssen, d.h. nur wer Geld hat, erhält eine Behandlung. Konkret heißt das, dass von den häufig an Malaria erkrankten Kindern und Erwachsenen bisher nicht wenige daran versterben, weil sie kein Geld für die Behandlung und die Medikamente haben.
Da die Krankenstation weder Toiletten noch Duschen hatte, hat MUT bereits vorab den Bau eines Sanitärgebäudes in Auftrag gegeben. Die togolesischen Handwerker hatten bereits gute Arbeit geleistet, so dass dieses Gebäude inzwischen auch in Betrieb gehen konnte.
Zurück zum Projekt Krankenstation: Nachdem klar war, welche Sanierungsarbeiten durchgeführt und welche Handwerker beauftragt werden müssen, ging es – nach der Rücksprache mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat, bei laufendem Betrieb an die Arbeiten. Mühsam war die Materialbeschaffung, aber mit viel Geduld und großzügigem Umdisponieren konnte alles erreicht werden. Eindrücklich war das gute Miteinander mit den einheimischen Malern, Schlosser, Fliesenleger.
Die MUT-Leute kümmerten sich um die Elektrik und das Wasser. Die Arbeiten gingen gut voran, mittags musste aufgrund der unerträglichen Hitze allerdings eine Siesta eingelegt werden.
Der Grundstein einer neuen Ausstattung wurde mit dem Kauf eines großen Kühlschranks gelegt, in dem künftig die Medikamente gelagert werden können. Medikamente wurden gleich in großer Menge ebenfalls besorgt. Für diese Beschaffungen war allerdings eine Fahrt von 300 Kilometern notwendig. Durch solche Aktionen wurde immer wieder deutlich, wie gut wir es in Deutschland haben.
Nach Abschluss der zweiwöchigen Arbeiten richtete der Bürgermeister und der Gemeinderat ein Fest aus, um ihrem Dank Ausdruck zu verleihen und auch der Bitte, weiterhin zu helfen
Die Sanierung war der erste Schritt, der – so hatten die MUT-Leute den Eindruck, einen Motivationsschub bei den Verantwortlichen auslöste. MUT möchte die Station künftig nachhaltig unterstützen und die medizinische Versorgung für die Armen, die sich eine solche nicht leisten können, verbessern. Dazu ist auch ein Containertransport mit notwendigem Material für die Krankenstation geplant, der bald auf den Weg gebracht werden soll. Ob der größte Wunsch, die Anstellung eines Arztes, erfüllt werden kann, ist noch offen.
Ein neu gebildetes Gremium wird sich künftig um die Belange der Krankenstation kümmern, die Finanzen verwalten und MUT als Ansprechpartner zur Verfügung stehen
Es wurde aber nicht nur gearbeitet. Täglich – oft schon am frühen Morgen – kam es zu Begegnungen mit Menschen, die zum Hof der Familie kommen, bei denen die Gruppe wohnten. Eindrücklich eine Gruppe von Menschen mit Behinderungen, die MUT seit dem letzten Einsatz immer wieder unterstützt. Sie baten um Unterstützung bei der Einrichtung einer Werkstatt; hier konnten gleich die Kontakte zum Bürgermeister genützt werden
Zwei blinde Brüder luden die Vier ein, das Dach ihrer Hütte zu besichtigen, das MUT für sie vor einiger Zeit finanziert hatte. Erstaunlich, wie die beiden Männer in ihrer Hütte leben und mit offenem Feuer kochen. Der mitgebrachte Sack mit Reis wird ihnen in den nächsten Monaten gute Dienste leisten.
An einem der Tage wurden mit Jugendlichen der Kirchengemeinde zwei Fußballtore gebaut und ein entsprechender Bolzplatz gerodet und hergerichtet. Unsere Leute schauten bei den Temperaturen lieber zu, wenn die Jungs mit Trikots von Arsenal, Liverpool, Barcelona mit großer Begeisterung um die Tore kämpften.
Darüber hinaus stand auch der Besuch von Schulen an. Die Überraschung war groß und der Jubel laut, als an zwei Schulen eine große Spende der Hessentaler Grundschule übergeben werden konnte, denn diese finanzielle Unterstützung ermöglicht es, Material für die Schüler zu beschaffen, das an allen Ecken und Enden fehlt.
Junge Menschen bei einer Ausbildung bzw. beim Studium zu unterstützen, ist MUT ein großes Anliegen. So ist zum Beispiel ein blinder junger Mann aufgrund dieser Hilfe in der Lage, in Lomé Jura zu studieren und er macht das mit großer Begeisterung, sein sehnlichster Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Jetzt sind zwei Mädchen dazu gekommen, die ebenfalls die Zusage für ein IT- bzw. Theologiestudium erhalten haben.
Und schließlich hat der Gemeinderat nachgefragt, ob MUT den Bau einer Toilettenanlage für ca. 300 Personen unterstützen könnte
Die Kirchengemeinde der Martin-Luther-Kirche bat um Unterstützung eines Analphabetisierungsprojektes, das zwei Jahre für ca. 50 Erwachsene angeboten werden soll. Außerdem baten der Bürgermeister, die Verantwortlichen der Schulen und Kindergärten um Musikinstrumente aller Art für ihre Arbeit mit den Kindern
Das Besondere an diesen Einsätzen ist es, das Leben mit einer afrikanischen Familie und dem Dorf kennenzulernen, die Traditionen aus erster Hand zu erleben und so mit Vielem konfrontiert zu werden, was einem sonst verborgen bleibt. Dazu gehören auch die sanitären Gegebenheiten wie z.B. das Duschen mit einem Becher oder die Freilufttoilette.
Und zugegeben – mit dem Essen haben es unsere Vier dieses Mal so gemacht, dass Walter am Abend häufig für die Familie und die täglichen Gäste „deutsch“ kochte. So wurde das tägliche „Fufu“, der gestampfte Yam-Brei verdrängt durch Yam-Pommes oder Yam-Kartoffelsalat. Auch togenesische Kinder lieben Spaghetti mit Tomatensoße oder Tomatensalat (Tomaten gab es auf dem Markt zu kaufen). Höhepunkt war das gemeinsame Herstellen von Ananas-, Mango- und Papaya-Marmelade.
Nach dem Abendessen wurde noch mit den Kindern gespielt, gesungen oder einfach nur erzählt. An zwei Abenden gab es MUT-Kino in der Kirche – DVDs in französischer Sprache faszinierten nicht nur die Kinder.
Dann war da noch das Gemeindefest in der Martin-Luther-Kirche mit herrlicher Chormusik, einem Festessen, bestehend aus einem Reis-Fisch-Topf, Tanz und ein wenig Regen – eben Togo pur.
Interessante Eindrücke soweit Augen, Ohren und Nase reichen gab es bei Spaziergängen durch die Straßen mit vielen Handwerkern, einer Weberei, Schneiderinnen und Friseuren – das Leben spielt sich draußen ab, der Staub gehört in der Trockenheit ebenso dazu wie die vielen kleinen Motorräder, vollbepackt mit Menschen und Material.
Was solche Aktionen reich macht, das sind die herzlichen Begegnungen beim gemeinsamen Essen, Arbeiten, Reden und Feiern und das Gefühl, Menschen bei ihrem Bemühen um Verbesserung ihrer Lebensqualität geholfen zu haben.
Das Land hat eine Fläche von rd. 57.000 qkm. Es hat eine langgestreckte schmale Form mit einer Ausdehnung von 550 km in Nord-Süd-Richtung und nur 50 bis 150 km in West-Ost-Richtung. Die Hauptstadt Lomé liegt am Atlantik. Angrenzende Länder im Westen Ghana, Benin im Osten und Burkina Faso im Norden.
Von 1884 bis 1916 war das Gebiet Togos eine deutsche Kolonie; danach Mandatsgebiet des Völkerbundes bzw. Treuhandgebiet der Vereinten Nationen unter französischer Verwaltung. Unabhängig von Frankreich ist das Land seit April 1960. Die Amtsspreche ist französisch, daneben gibt es zahlreiche Nationalsprachen. Das Land hat 6,8 Mio Einwohner, davon ist die Hälfte unter 16 Jahre alt. Die Lebenserwartung liegt bei 58 Jahren. Es gehört zu den ärmsten Ländern Afrikas.